Der Hotelberater über Digitalisierung in der Hospitality-Branche, die entscheidenden Voraussetzungen für einen erfolgreichen Restart und die Gemeinsamkeiten von Menschen und Goldfischen
Dominik Junold ist dieser Tage ein begehrter Mann. Je länger der Lockdown dauert, je mehr die Pandemie zu massiven Belastungen für die Hotel- und Gastrobranche führt, desto öfter klingelt sein Telefon. Zum einjährigen „Jubiläum“ von Corona litten laut einer Umfrage des ifo Instituts 82,3 der Hoteliers unter akuten Existenzängsten. Besonders betroffen ist die Stadthotellerie, auch wer bisher auf Gruppen, Events oder Seminargeschäft setzte, muss sich komplett neu erfinden. Und selbst für Betriebe, die wirtschaftlich noch auf soliden Beinen stehen, stellt sich die Frage, wie der Neustart am besten gelingen kann. Junold und sein Geschäftspartner Christian Bär sind mit ihrer Hotelberatung credo.vision geübte Krisenmanager.
Corona verursacht derzeit einschneidende Marktveränderungen. Um eine beliebte Binse zu bemühen: Bietet diese Krise auch Chancen für die Branche?
Der Markt wird boomen, sobald Gastronomen und Hoteliers ihre Betriebe wieder öffnen dürfen, das steht fest. Analog zum vergangenen Sommer wird sich das zunächst im Tagestourismus und in den inländischen Naherholungsgebieten auswirken. Das ist eine Chance für Betriebe, neue Zielgruppe und Marktsegmente zu erschliessen. Wenn die Häuser sich gut verkaufen, könnte es gelingen, mehr von dem Tourismus, der bisher in Nachbarländer strömte, bei uns zu halten. Die größte Chance aber, die sich jetzt bietet, ist es, das Preisniveau unserer Gastronomie- und Hotellandschaft der zu erwartenden Nachfrage anzupassen.
Viele Häuser haben die Schließungszeit für Renovierung und Investition genutzt – sicher ein guter Zeitpunkt, um an der Preisstruktur zu arbeiten…
Was wir gerade in der Privathotellerie verstehen müssen: Dieser Sommer ist die einzige Überlebenschance, die wir bekommen. Wer jetzt seine Preise nicht entsprechend platziert und gleichzeitig in Marketing investiert, der wird vom großen Kuchen nichts abbekommen. Viele Betriebe agieren da noch viel zu zögerlich. Die Schulden, die angehäuft wurden, sollten größtenteils dieses Jahr zurückgezahlt werden, solange der deutsche Markt boomt. Der Sommer 2022 kann schon ganz anders aussehen, wenn der globale Reisemarkt wieder in Schwung kommt. Und eins ist sicher: Die großen Hotelgruppen stehen bereit, um spannende Objekte, die demnächst auf den Markt kommen, zu schlucken.
Die große Frage heißt also im Moment: Was mache ich mit den Preisen?
Momentan wird vieles teurer, die Einkaufspreise für Gemüse und Fleisch gehen bereits nach oben. Entsprechend müssen Gastronomen und Hoteliers auch ihre eigenen Preise anpassen. Um das betriebswirtschaftlich aufzubauen, kann Hilfe von außen sinnvoll sein. Es gibt exzellente Tools, um Einkaufsverhalten und Warenumsätze zu quantifizieren und auszurechnen, welche Preise man verlangen kann, im Sommer, im Herbst oder im Winter. Und auch die Personalkosten werden steigen, entsprechend müssen Menü- und Zimmerpreise angepasst werden.
Aber was ist, wenn mein ganzes Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert? Der Veranstaltungs- und Seminarbereich ist derzeit quasi inexistent. Was raten Sie Häusern, die hier einen Fokus hatten?
Ohne in die Glaskugel zu schauen: Sollten wir je wieder eine Seminarlandschaft wie vor der Krise haben, dann wird das Jahre dauern, vor allem im Großveranstaltungsbereich. Ich würde zunächst eine Standortanalyse machen, um herauszufinden, welche anderen Geschäftsmodelle sich anbieten: Ist eine Nähe zu medizinischen Einrichtungen gegeben, zu Therapie-Zentren oder ambulanter Reha? Liegen Seniorenheime in nächster Umgebung? Bieten sich Medizintouristen und ihre Angehörigen als neue Zielgruppe an? Oder doch eher Individualgäste?
Wo lassen sich kurzfristig Einsparungen machen?
Oft an Stellen, an die keiner denkt. Als Berater haben wir den Blick von außen, wir schauen uns die gesamte Kostenstruktur an. Es ist unglaublich, wieviel Geld oft sinnlos verbraten wird. Ein Beispiel: Was kostet ein Bett in der Wäscherei? Da kommt es vor, dass für zwei Hotels der gleiche Job in der gleichen Wäscherei zwischen 2€ und 3,50€ variiert. Warum? Weil eines der Häuser den Wäscherei-Vertrag noch nie verhandelt hat. Auch beim Thema Wareneinsatz lässt sich bei ein- und demselben Produkt viel sparen, je nachdem, mit welchem Lieferanten man arbeitet. Als externer Berater hat man da den Überblick, als einzelner Hotelier ist es schwierig, all diese Fächer im Blick zu behalten.
Eines Ihrer Spezialgebiete ist das Thema Generationenwechsel. Wie sehen Sie die Entwicklung?
Gerade in kleineren Privathotels ändert sich gerade viel. Die nachfolgende Generation ist wesentlich offener, dialogbereiter, setzt auch eher auf das Thema Beratung von außen. Diese Generation hat durch Social Media gelernt, dass es für alle Seiten ein Gewinn sein kann, Wissen zu teilen. Wir sehen eine Entwicklung weg vom autoritären Führungsstil zu mehr Transparenz und Kommunikation. Viele sind heute nicht mehr bereit, 60 bis 70 Stunden pro Woche im eigenen Betrieb zu stehen. Also setzt man stärker auf systemgestützte und automatisierte Prozesse, auf vereinfachte Abläufe, aber auch das Delegieren von Verantwortung. Viele junge Leute wollen ihren Betrieb immer im Blick haben, aber nicht ständig selbst im Betrieb sein.
Das Thema Digitalisierung wird zum Restart wichtiger denn je. Wie weit ist es in der deutschen Hotellandschaft durchgedrungen?
Sehr unterschiedlich. Da gibt es tolle, innovative, jüngere Konzepte und andere, die es kategorisch ablehnen, auch nur einen Facebook-Post zu machen. Aber Fakt ist: Wenn Sie heute ein Hotel führen und Sie betreiben keine Social Media-Arbeit, dann wird das nicht sinnvoll funktionieren. Und natürlich ist es nicht damit getan, ein Facebook-Profil aufzurufen. Sondern man muss wissen: Wie funktioniert das Ganze? Wie schaffe ich es, Communities aufzubauen? Wieviel Geld investiere ich in Google AdWords? Da gibt es Instrumente, von denen viele noch nie gehört haben.
Warum wird die Digitalisierung in Privathotels so oft verschlafen?
Viele haben Angst vor der Digitalisierung, weil sie befürchten, die persönliche Kommunikation mit dem Gast könnte leiden. Das Gegenteil ist der Fall: Je mehr Hilfstätigkeiten ich dem System überlasse, desto mehr Zeit bleibt für das persönliche Gespräch mit dem Gast. Nehmen Sie das Thema Rezeption: Ich gebe den Meldeschein händisch ein, drucke ihn dann aus, lasse ihn unterschreiben, und scanne ihn wieder ein, um ihn digital weiterzuverarbeiten. Ein Wahnsinn!
Welches sind die Bereiche, wo man mit den Möglichkeiten der Digitalisierung sehr schnell ansetzen und Erfolge sehen kann?
Bei vielen Häusern fängt das schon bei der Buchbarkeit online an, die oft nicht sinnvoll funktioniert. Eine sauber arbeitende Buchungsmaschine, eine solide Ratenstruktur dahinter, das ist auf der Umsatzseite der schnellste Weg, um rasch spürbare Schritte zu machen. Moderne Systemumgebungen können bis ins letzte Quentchen ausloten, wie ich meine Zimmerkategorien am besten zueinander spielen lasse, wie ich die unterschiedlichen Hotelsegmente spiele, welche Mindestaufenthalte zu welchen Tagespreisen ich anbiete, um den Wert eines Zimmers optimal auszuloten.
Auch im Online-Marketing ist oft noch Luft nach oben…
Gerade im Suchmaschinen- und Social-Media-Bereich bekommt man relativ schnell Feedback, ob das, was investiert wurde, Sinn macht. Zunächst mal sollte ein solider Redaktionsplan erstellt werden. Also: Welche Kanäle bespielen wir wann, wo, wie und das idealerweise koordiniert? Kleine Hotels machen so etwas oft nicht. Was wir immer wieder erleben: Hoteliers bezahlen etwa für einen Filmbeitrag und kommunizieren das anschließend nicht auf allen verfügbaren Kanälen. Man muss heute Menschen sehr spezifisch ansprechen und dafür auch Geld investieren.
Das wichtigste Element der Außendarstellung ist heute die Homepage. Sie ist die Visitenkarte, der Erstkontakt für die meisten Gäste. Was sind die klassischen Fehler?
Viele Seiten sind noch nicht mobil optimiert. Wir wissen: Fast zwei Drittel aller Zugriffe erfolgen mittlerweile von mobilen Endgeräten aus. Sie haben heute mehr Suchanfragen auf YouTube als auf Google. Mit anderen Worten: Das Thema Aufmerksamkeitsspanne ist elementar. Im Durchschnitt beträgt sie mittlerweile bei uns Menschen nur noch acht Sekunden, das entspricht dem Niveau eines Goldfischs. Wir brauchen schnell konsumierbare Inhalte. Also Bewegtbilder und knappe Texte. Viele Seiten sind zu textlastig. Eine Homepage muss vor allem inspirieren und emotional abholen. Viele Hoteliers könnten mit leichter Veränderung der Darstellung und gutem Bildmaterial wirklich schnell viel bewegen.
Wird das Thema Marketing generell unterschätzt?
Absolut. Das machen sowohl Restaurants als auch Hotels falsch. Die großen Ketten führen vor, wie essentiell dieses Thema ist. Früher hieß es: 4% des Umsatz geht ins Marketing. Heute sollte man 6 oder 7% ausgeben, um die Marktdurchdringung zu haben. Weil die Aufmerksamkeitsspanne mit acht Sekunden so kurz ist, muss man die Frequenz erhöhen. Und: Viele Häuser geben nicht genügend Geld für gute Fotos aus. Da braucht es Fachleute – einen Fotografen für Food, einen für Landschaft, einen für People. Und dazu noch einen Spezialisten für Videoclips.
Viele Betriebe haben in der Krise ihre Werbe- und Marketingetats zusammengestrichen, um kurzfristig Geld zu sparen…
Viele haben nicht begriffen: Man muss dann Werbung machen, wenn man keinen Umsatz macht. Gerade jetzt muss man das Feuer am Glühen halten. Es ist essentiell, weiterhin Kontakt mit den Kunden zu halten. Und wenn es nur eine freundliche Mail mit ein paar schönen Aufnahmen vom Standort ist. Auch der Online-Shop kann ein wertvolles Kommunikationsmittel sein – wenn man den Gästen gerade jetzt immer wieder Neuheiten anbietet.
Investitionen im Online-Bereich werden momentan auch von der Bundesregierung unterstützt…
Genau, ein neuer Online-Shop etwa kostet das Haus jetzt nicht einen Cent. Im Rahmen der Überbrückungshilfe III werden bis zu 20.000€ Online-Maßnahmen unterstützt. Das kann eine Website oder ein Shop sein, aber auch Suchmaschinenberatung oder ein Social-Media-Konzept. So etwas muss man wissen. Information ist alles. Das ist ein Mehrwert, den wir als Berater an unsere Kunden weitergeben können.