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Köhlerstube, Baiersbronn

Ein Jahr nach dem Brand: Während der neue Restauranttrakt der Traube Tonbach Gestalt annimmt, emanzipiert sich Florian Stolte im Zweitrestaurant der legendären Schwarzwaldstube zunehmend vom illustren Nachbarn

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Die Zwei vom Temporaire: Torsten Michel (li) und Florian Stolte © Rene Riis

Das kulinarische Jahr 2020 begann in Deutschland mit einem Schock – in der Nacht zum 5. Januar brannte die Restaurant-Ikone Schwarzwaldstube des Hotel Traube Tonbach komplett ab. Die Bilder gingen um die Welt, New York Times, CNN und BBC berichteten. Ein Jahr später lässt sich in Baiersbronn-Tonbach besichtigen, was schwäbischer Unternehmergeist bewirken kann. Nicht nur, dass die Bauarbeiten für einen komplett neuen Restauranttrakt schon mehr als planmäßig fortgeschritten sind (der Unterbau inklusive Weinkeller ist fertig, die Neueröffnung ist für Ende des Jahres geplant). Der Eigentümerfamilie Finkbeiner gelang es auch, in Rekordzeit das „Temporaire“ aufzubauen, ein Zuhause auf Zeit nicht nur für die Schwarzwaldstube, sondern auch für das (ebenfalls abgebrannte) Zweitrestaurant Köhlerstube.

Nach dem Brand: Zuhause auf Zeit © Steffen Thalemann

Über die wie Phoenix aus der Asche auferstandene Schwarzwaldstube, wo Torsten Michel nach wie vor auf Weltklasse-Niveau kocht, wurde seither viel berichtet. Was dabei oft übersehen wird: Direkt nebenan, in der Köhlerstube, emanzipiert sich Florian Stolte zunehmend vom berühmten Nachbarn. Wie Michel scheint auch er, einst Saucier im Drei-Sterne-Restaurant, seit dem Comeback zu Pfingsten 2020 wie neu beflügelt. Er feilt erfolgreich an einem eigenen Stil, der zunehmend von asiatischen Aromen sowie dem Spiel mit Säureakzenten geprägt ist.

Köhlerstube mit Blick ins Tonbachtal © Steffen Thalemann

Ein starker Auftakt ist die gebeizte, nur ganz kurz abgeflämmte Gelbschwanzmakrele. Dazu kombiniert die Küche Makrelentatar, die Jodigkeit von pochierten Austern und die Frische einer Gurkenvariation – gepickelt, als Schaum und Sud sowie, auch optisch apart in leuchtendem Grün, Gurke-Miso-Sorbet.

Leicht ins Menü: Gelbschwanzmakrele und Gurke © Autor

Auch der confierte Seehecht kokettiert mit japanischen Aromen. Diesmal ist es eine Dashi-Beurre-Blanc, bestes Beispiel für das gekonnte Spiel mit dem Thema Säure, das sich durch das Menü zieht. Den Fisch bettet Stolte auf geschwenkte Pifferlinge, marinierte Erbsen sowie Erbsencreme und krönt ihn mit Kartoffelstroh und feingehobeltem Trüffel. 

Dashi-Beurre-Blanc – Japan lässt grüßen © Autor

Für den Schweinebauch, 24 Stunden bei 68 Grad butterzart gegart und von gebratenen Gambahälften begleitet, lässt sich Stolte aromatisch ganz und gar von seinem kulinarischen Lieblingsziel Thailand inspirieren: Der Salat von grüner Papaya mit Erdnuss und Chili ist so knackig und erfrischend wie es sich gehört, obenauf thront ein gebackener Krabbenchip (die Thais nennen es Krupuk). Am Tisch angegossen wird Tom Kha-Sud mit Kaffirlimettenfrische, Kokossüße und fein dosierter Thai-Schärfe. 

Liebeserklärung an die Thai-Küche © Autor

Die gebratene Zanderschnitte aus dem à la carte-Programm kommt mit Topping von geschmortem Kopfsalat sowie roh marinierten und gehobelten Champignons, dazu giesst der Service Weißweinschaum an.

Zum Zander: Kopfsalat mal anders © Autor

Challans-Ente von Gérard Burgaud aus der Vendée ist sozusagen der Rolls Royce unter den Enten; ihr Einsatz im Hauptgang illustriert, wie sehr man als Zweitrestaurant vom gemeinsamen Einkauf mit der Schwarzwaldstube profitieren kann. Perfekt à point sind die beiden Tranchen der gebratenen Brust, am oberen Tellerrand liegt das geschmorte Keulenfleisch, darauf ein gebackenes Roti, inspiriert vom beliebten thailändischen Streetfood-Pfannkuchen. Dazu eine Kohlrabi-Variation: geschmort, gepickelt und als Creme. Der angegossene Entenjus, mit Yuzu verfeinert, bringt fruchtige Säure ins Spiel.

Spitzenprodukt: Challans-Ente von Gérard Burgaud © Autor

Im Mittelpunkt des ersten Desserts steht die derzeit so beliebte Kakaofrucht, deren süßsäuerliches Fruchtmus tatsächlich nach Kakao schmeckt. Dazu kombiniert die junge Pâtissière Litchi-Gel, Limettensorbet und frische Himbeeren, alles versteckt unter luftigem Himbeer-Litchi-Schaum.

Die Frucht, die nach Kakao schmeckt © Autor

Eine wohlschmeckende Reminiszenz an den langjährigen Schwarzwaldstuben-Pâtissier Pierre Lingelser ist die Allianz von Valrhona Manjari-Schokolade mit exotischen Fruchtaromen – als Sorbet und „kreolischer“ Sud, dazu Kompott von Mango, Maracuja, Drachenfrucht und Physalis sowie karamellisierte Mandeln und –creme. 

Fruchtsalat auf Kreolisch © Autor

www.traube-tonbach.de

1 Michelin-Stern (ausgesetzt wegen Brand)

17 Gault&Millau-Punkte

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