Restaurants

Tantris, München

Der Countdown läuft: Nur noch bis Silvester 2020 kocht Hans Haas in der Restaurantikone – höchste Zeit also, den genialen Koch und großherzigen Gastgeber noch möglichst oft zu besuchen und seine zahllosen Klassiker zu genießen

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Hans Haas © Mike Krüger

Es ist ein Phänomen: Während rundum Restaurants eröffnen und wieder schließen, Konzepte erfunden und wieder verworfen werden, scheint die Urzelle des deutschen Küchenwunders von allen Zeitläuften völlig unberührt. Auch nach fast 50 Jahren ist es – mit seinem Interieur in plakativen Rot- und Orangetönen eine regelrechte Seventies-Hymne – das wohl bestbesuchte deutsche Gourmetrestaurant. Oder, in Abwandlung eines berühmten Werbeslogans: Es läuft und läuft und läuft…

Restaurant Tantris © C.A. Hellhake

Natürlich kommt so ein Erfolg nicht von ungefähr. Er hat viel mit der Leidenschaft der Familie Eichbauer für Gastronomie zu tun, aber seit 1991 ebenso mit der Persönlichkeit und nie nachlassenden Leistung von Hans Haas. Nach wie vor steht er jeden Morgen um acht Uhr in seiner Küche, statt wie viele seiner Kollegen lieber im Rampenlicht. Soviel Einsatz schmeckt man seinen Tellern an, die gemeinsam mit dem längst unter Denkmalschutz stehenden Interieur dazu beitragen, dass ein Besuch hier immer ganz großes Kino ist.

Restaurant Tantris © C.A. Hellhake

Allen voran seine Klassiker machen klar, worin die Einzigartigkeit von Haas’ Küche besteht. Sie ist von jener souveränen Einfachheit, die in Wahrheit die größte Kunst ist, weil Produkt und Handwerk völlig unmaskiert auftreten, jeder Arbeitsschritt in der Küche perfekt sitzen muss. Suchtfaktor hat das süffige, knallgrüne Lauchpüree, übergossen von schaumig gebräunter Butter, gekrönt von den edlen Stör-Perlen. Am Gaumen schmilzt die Terrine aus Entenbrust und -leber mit Shi-Take-Pilzen und Trüffelmarinade. Und der Kalbskopf im kross gebratenen Ciabattamantel begeistert selbst Innereien-Skeptiker.

Kaviar, Lauchpüree, Braune Butter © Joerg Lehmann

Die ersten Gänge im Menü sind immer leicht, frisch und von berückend klarer Aromatik, wie alles im Tantris setzen sie das ausgezeichnete Produkt in Szene: Roh mariniertes Carpaccio vom Thunfisch, dazu sein intensiv schmeckendes Tatar, flankiert von würzigen Radieserl, cremiger Sesammousse und nur ganz kurz glasig sautierten Gambas. Wenn Langostinos auf der Karte stehen, dann kommen sie aus den arktischen Gewässern Norwegens und Haas bringt ihre zarte Textur zur Geltung, indem er sie im Butterbad confiert und mit Orange, geschmortem Sellerie und Yuzu-Sauerrahmmousse serviert. Oder er brät das kostbare Meeresgetier in der Schale und tischt es mit karamellisiertem Chicoree auf, dessen feine Bitternote perfekt harmoniert.

Thunfisch, Sesam, Gambas © Autor

Süßwasserfische schwimmen in deutschen Küchen derzeit im Trend – bei Haas spielen sie schon lange eine gleichberechtigte Rolle. Er war es, der vor vielen Jahren die heute auch bei seinen jungen Kollegen so beliebte Zucht von Nikolai Birnbaum im Lechtal entdeckte. Sein lauwarm confierter Saibling mit Selleriepüree, der Frische von grünem Apfel und duftendem Holunderblütenfond ist ein Gericht auf der Höhe der Zeit. Der Fond basiert auf einem konzentrierten Öl, das er in der Saison aus Holunderblüten gewinnt, auch dies ganz im Sinne des aktuellen Regionalfundamentalismus, wie er in Berliner Hipsterküchen plakativ vorgeführt wird – nur dass der gebürtige Tiroler es schon seit 30 Jahren so macht.

Saibling, Selleriepüree, Holunderblütenfond © Autor

Mittelmeer à la Tantris, das können feinste hausgemachte Nudeln mit auf den Punkt gegarten Crevetten und butterzarten Seppioline mit punktueller Piment-Schärfe sein. Oder satt weiß schimmernder, in Olivenöl confierter Rochenflügel, dazu setzen Tomate, Fenchel, Blumenkohlpüree und erfrischender Zitronengrassud Akzente.

Rochenflügel, Blumenkohlpüree, Zitronengrassud © Autor

Nose to Tail schreiben sich heute viele Köche marketingtauglich auf die Fahnen. Bei Hans Haas ist das anders: Er macht nicht viele Worte darum, er hat es schon immer so gehalten. Wenn er vom Bauern aus der heimatlichen Wildschönau ein ganzes Milchkalb bekommt, dann bietet er seinen Gästen auch einmal das selten gewordene Erlebnis eines Kalbsherzen, geschmort und in feinen Scheiben aufgeschnitten. Dazu gibt er das Bries, zu geradezu wolkiger Zartheit gebraten sowie geschmorte Zwiebel, Kartoffel-Schnittlauchpüree und eine so herrlich tiefgründige Pfeffersauce, dass man am liebsten die ganze Saucière austrinken möchte.

Tiroler Kalbsherz und -bries © Autor

Haas at his best ist auch das perfekt rosa gegarte, superb saftige Kotelette vom Lammrücken mit Artischocken, die roh in der Pfanne nur kurz goldbraun angeröstet wurden, dazu Spinat, geschmorte Tomaten und Artischockenfond.

Lammkotelett, Artischocken © Autor

Steht ein Soufflé auf der Dessertkarte, sollte man unbedingt zugreifen, denn Haas ist Meister darin, ganz gleich ob Grießsoufflé mit Mieze Schindler-Erdbeeren und Sauerrahmeis oder Karamellsoufflé mit Himbeere, Ananas und intensivem Karamelleis.

Grießsoufflé © Autor

Zum Gesamtkunstwerk Tantris gehört natürlich auch der exzellente Service, der immer da ist, wenn man ihn braucht – und nur dann. Mit Mona Röthig als neuer Restaurantleiterin und ihrer Mischung aus Professionalität, Charme und Humor zeigt das Tantris sein junges, zeitgemäßes Gesicht. Und dann ist da natürlich noch der eindrucksvolle Weinkeller, dessen Schätze die Karte nur zum Teil abbildet. Seit Felix und Sabine Eichbauer stolze Besitzer des Weinguts Podere Salicutti in Montalcino sind, kommt öfter mal ein Glas von dort auf den Tisch, zum Beispiel der ungeheuer komplexe 2005er Piaggione Brunello di Montalcino, der mit seinen Kirsch- und Gewürznoten perfekt Schmorgerichte ergänzt. 

Restaurant Tantris © C.A. Hellhake

Was liess Fritz Eichbauer damals an die hummerroten Wände des Tantris schreiben? „Fröhlich, Freudig, Feurig, Tantris.“ Dabei wird es sicherlich bleiben, auch wenn im Jahr 2021, pünktlich zum 50. Geburtstag, unter dem neuen Executive Chef Matthias Hahn eine neue Ära beginnt.

2 Michelin-Sterne
18 Gault&Millau-Punkte

www.tantris.de

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