Vor 660 Jahren erstmals als Gasthaus urkundlich erwähnt und doch auf der Höhe der Zeit – dank trendiger Roof-Top-Bar mit See-Blick und dem Restaurant La Rôtisserie, wo Küchenchef Stefan Jäckel richtig Gas gibt
Der Storchen ist als Zunfthaus mit 660 Jahren Geschichte nicht nur historisch eines der spannendsten Hotels in Zürich – er hat in seiner Reinkarnation als stylishes Boutique-Hotel auch etwas zu bieten, das in Corona-Zeiten besonders wertvoll ist: gleich drei Terrassen, eine schöner als die andere.
Die erste liegt vor dem Haus auf dem Weinplatz im Herzen der Altstadt und ist vor allem für die Zürcher eine Institution. Die zweite ist noch relativ neu und spektakulär: The Nest heißt die trendige Rooftop-Bar mit einzigartigem Blick über die Dächer der Altstadt, auf die Kirchtürme von Groß- und Fraumünster sowie St. Peter und last, not least, den Zürichsee. Bei schönem Wetter reicht der Blick bis zu den Alpen. Uns aber geht es vor allem um die dritte Terrasse (auch sie mit postkartenreifem Blick), denn sie gehört zum Restaurant La Rôtisserie und damit zum Reich von Küchenchef Stefan Jäckel.
Jäckel, dessen Können Anfang des Jahres mit einem Michelin-Stern bestätigt wurde (16 Gault&Millau-Punkte hatte er eh schon), holte sich den Feinschlieff einst beim legendären Horst Petermann und zählt zu den vielversprechenden Talenten an der Limmat. Im prachtvollen Saal der ehemaligen Zunftstube zündet er zuverlässig ein wahres Feuerwerk an Aromen. Exzellente Produktqualität, großes handwerkliches Können und aufwendig gestaltete Beilagenkunst ziehen sich als roter Faden durch seine Menüs.
Ein Paukenschlag gleich zu Beginn: Der butterzarte Bauch vom Balfegó-Thunfisch kommt als Tatar, belegt mit hauchdünn geschnittenem weißen und grünen Spargel, gekrönt von Kaviar, geeisten Shiso-Perlen und Röstzwiebeln. Ein optisch wie sensorisch feinst ausgeklügelter Genuss, der die Geschmacksknospen in Habacht-Stellung bringt.
Sie werden auch beim nächsten Gang verwöhnt: Der pralle und ultrafrische Langostino (Kaliber 4/6!) wurde nur wenige Sekunden unter dem Salamander angegart, so dass seine Güte voll zum Tragen kommt. Gebettet war das Prachtstück auf ein Rondell von asiatischem Gemüsesalat, dazu gab’s Karotten-Spaghettini, etwas Mango-Chutney und, am Tisch angegossen, intensiv duftenden Champagner-Zitronengras-Curryschaum.
Delikates Spiel mit Meeresaromen bietet die auf der Haut gebratene Rotbarbe auf Bomba-Reis, der im Stil einer Paella zubereitet wurde. Der Fisch ist garniert mit Meeresgemüse wie den leicht salzigen Salicornes und Meeresfenchel, dazu etwas Kopfsalat. In der Tasse wird à part ein intensives Bouillabaisse-Süppchen gereicht – schmeckt nach Ferien am Meer.
Bei diesem höchst luxuriösen Löffelgericht zahlt sich die enge Zusammenarbeit des Hauses mit dem hoch über Herrliberg gelegenen Öko-Bauernhof Schlattgut aus: Jäckel stellt das nach japanischer Methode stundenlang gegarte Onsen-Ei in den Mittelpunkt, gibt es erst am Tisch zum Capucchino von Foie Gras, Périgord-Trüffel und Kartoffel, so dass es langsam in der flaumigen Masse versinkt. Beim Löffeln vereint sich das noch flüssige Eigelb mit den übrigen Zutaten, ein unkomplizierter und dabei qualitativ sehr hochwertiger Genuss.
Zum Hauptgang lässt Jäckel australisches Wagyu Short Rib 48 Stunden bei Niedrigtemperatur garen, garniert dazu wilden Brokkoli und als Clou ein Dim Sum voll asiatischer Aromen, von Shi-Take-Pilzen über Zitronengras bis Ingwer, dazu wird Yuzu-Pfeffer-Jus angegossen.
Als bildschönen Schlusspunkt des Menüs schickt die junge Pâtissière eine dekonstruierte Lemontarte mit Macadamia-Crumble, Eis von der Atsina-Kresse mit feiner Anis-Note und sonnengelber Kurkuma-Latte, die am Tisch angegossen wird.
Nach einem solch furiosen Menü, das noch dazu aus einer erlesenen Weinkarte bestens begleitet wird, möchte man nur noch eins: in den Federn versinken. Wie gut, dass der historische Storchen dank umfassender Renovierung unter der Ägide des Living Circle in ein sehr zeitgemäßes Boutiquehotel verwandelt wurde. 64 stilvolle Zimmer und Suiten stehen bereit, neu gestaltet in warmen Farben, viele mit Limmat- und sogar Seeblick.
Fazit: Der Storchen mag auf 660 Jahre Geschichte zurückblicken – aber so gut wie unter Stefan Jäckels Regie hat man hier wohl noch nie gegessen.