Im Herzen der historischen Altstadt liegt das lichte, heitere Restaurant von Ali Güngörmüş – es zählt zu den ganz wenigen Adressen in Deutschland, wo auf hohem gastronomischen Niveau die Aromen des östlichen Mittelmeers stilprägend sind
Das anatolische Dorf seiner Kindheit war nicht nur Namensgeber für Ali Güngörmüş’ beliebtes Restaurant in den Fünf Höfen, es prägt auch mehr und mehr seinen Küchenstil. Zwar kocht „Ali“, wie ihn die Stammgäste nennen, auf klassisch französischer Basis, so wie er es einst in den kulinarischen Kaderschmieden Tantris und Schweizer Stuben verinnerlichte – als i-Tüpfelchen vieler Gerichte aber spielt die Gewürzvielfalt des Orients eine identitätsstiftende Rolle. Und deshalb zählt der großzügige Raum mit den deckenhohen Fenstern, durch die viel Licht fällt, zu den ganz wenigen Adressen in Deutschland, wo man auf hohem gastronomischen Niveau die Aromen des östlichen Mittelmeers geniessen kann.
Seinen orientalischen Genen verdankt der Chef auch den selbstverständichen Umgang mit vegetarischen Gerichten und die Fähigkeit, sie mit soviel Kreativität und Leichtigkeit auszustatten, wie es nur ganz wenigen deutschen Kollegen gegeben ist. Immer mehr Gäste starten gern mit Gemüsegängen ins Menü – sie vermitteln besonders eindringlich die Ambition und aromatische Vielfalt der Küche. Zum Beispiel Humus von Roter Bete mit eingelegtem Kürbis, Chicorée und Cashewkernen oder Hummer-Limetten-Kokossuppe mit Kräuterseitlingen, Ananas und Koriander – das sind leichte, aromatisch aber komplexe Vorspeisen, die einen Hauch Orient über den Tisch schweben lassen.
Nichts steht mehr für diese ganz persönliche, anatolisch konditionierte Handschrift als die große Vorspeisentafel (Mezze), die genußvoll auf das Menü einstimmt und europäische mit nahöstlichen Einflüssen mischt. Bis zu einem Dutzend hübsche Schüsselchen mit unterschiedlichsten Inhalten, von vegetarischen Zubereitungen über Fisch und Meeresfrüchte bis zum Fleisch, werden vor den Augen der Gäste aufgebaut.
Das reichhaltige Mezze-Angebot: Lahmacun, die „türkische Pizza“, mit Tomatensauce, Spitzpaprika, Oliven und Feta; eingelegte Sardinen, wie sie an den türkischen Küsten beliebt sind; Köfte, anatolische Fleischbällchen nach dem Rezept von Alis Mama mit Gewürzsugo; Obsi-Blue-Garnelen von Crusta Nova, sekundenkurz angegrillt; Oktopus aus dem Atlantik mit Frühlingslauch und Baba Ganoush; Kichererbsen-Ragout mit Freilandhuhn, Zucchini und süßer Paprika; gefüllte Aprikosen aus Pageou, von Alis Mama getrocknet, dazu Beluga-Linsen und Joghurt mit Dill; Muhammara, eine im orientalischen Raum sehr beliebte Paprikacreme mit Pinienkernen…
Damit wäre der Ton gesetzt für eine Küche, die nicht durch Verkünstelung auf dem Teller, sondern durch ihre schiere Aromenkraft verführt. Bestes Beispiel ist ausgelöster bretonischer Hummer, konfiert und in Butter geschwenkt, mit grünem Spargel und Kartoffel-Lauch-Püree, darüber eine großzügige Gabe von intensiv duftendem weißen Alba-Trüffel.
Eine Küche mit so eigener kulinarischer Handschrift hat keine prätentiöse Anrichteakrobatik nötig, sie belässt die Produkte in ihrer Natürlichkeit, erscheint auf den ersten Blick bisweilen fast einfach, entfaltet aber am Gaumen verführerische Kraft. Es duftet nach intensiven Röstaromen, als das gebratene Filet vom Wagyu serviert wird, stimmig begleitet von geschmorter Roter Bete, Selleriecreme sowie einer Art Wan Tan mit Pilz- und Liebstöckel-Füllung. Im Glas passt dazu ein Châteauneuf-du-Pape von der südlichen Rhône mit feiner Extraktsüße und genug Volumen, um es mit dem Wagyu aufnehmen zu können.
Auch die Desserts bringen orientalische Großzügigkeit und Gewürzvielfalt auf den Tisch, ob in Form einer Gewürzkaffee-Mousse mit Mandeleis und Orangenragout oder in der Interpretation von „Asure“, einer in der islamischen Welt weitverbreitete Süßspeise. Ali serviert sie als süßen Bulgur mit einem Orangensud, den Kardamom, Zimt und Nelken würzen. Köstliche dazu schmecken getrocknete Zwetschgen und eine Nussvariation aus Pageou (Pistazien, Walnüsse, Cashewkerne).
Perfekter Begleiter im Glas zum Dessert: 2017 Moscato d’Asti von Giacomo Bologna, leicht, filigran, und mit seiner feinen Zitrusnote toll zum Orangensud. À propos Wein: Zum Stil des Hauses passt, dass auch die gut sortierte Karte neben ihren Schwerpunkten auf Deutschland und klassischen europäischen Anbauregionen einige spannende Tropfen aus autochtonen Rebsorten des östlichen Mittelmeerraums führt. Zum Beispiel den kräftig ausgebauten Narince, der von den Côtes d’Avanos-Weinbergen in Kappadokien stammt und mit seiner Würze perfekt die Mezze-Vorspeisentafel begleitet.
P.S. In einem versteckten Winkel des Istanbuler Gewürzbasars, weit jenseits der touristischen Trampelpfade, hat der Händler seinen Sitz, bei dem Ali einkauft: „Manchmal entdecke ich dort Dinge, die ich auch nach 25 Kochjahren noch nicht kenne.“ Aus den Schätzen, die er von seinen regelmäßigen Istanbul-Trips mit nach München bringt, entstehen sehr persönliche Gewürzmischungen für die Küche im Pageou. Neuerdings gibt es, in Zusammenarbeit mit der Bio-Gewürzmarke Ankerkraut www.ankerkraut.de/pages/ali-guengoermues-gewuerze, Alis Gewürzvielfalt auch für Zuhause.