Restaurants

Dichter, Rottach-Egern

Der Tegernsee boomt und nirgendwo ist das derzeit besser zu erleben als in den komplett runderneuerten „Egerner Höfen“ – auch Thomas Kellermanns Gourmetrestaurant zeigt sich im neuen Look und mit kreativem Elan

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Küchendirektor Thomas Kellermann © Egerner Höfe

Der Gesprächsstoff des Jahres im Tegernseer Tal? Kein Zweifel, das waren die aufwendig renovierten und komplett neu erfundenen „Egerner Höfe“, seit Frühjahr 2020 im Besitz der Molkereifamilie Ehrmann. Das seit Spätsommer 2021 wiedereröffnete Haus wirkt wie ein Symbol für den derzeitigen Tegernsee-Boom. Die Gästestruktur im Tal wandelt sich schon seit Jahren, das Publikum wird deutlich jünger – und das nicht erst seit dem im Zuge von Corona immens gewachsenen Interesse an nachhaltigen Kurztrips im eigenen Land. Für die kommenden Jahre sind eine ganze Reihe neuer Hotelprojekte im Luxusbereich angekündigt.

Das neue Gourmetrestaurant „Dichter“ © Egerner Höfe

Größter Profiteur des neuen Geists in den Egerner Höfen ist wohl das Gourmetrestaurant „Dichter“, das nicht nur einen komplett neuen Look, sondern auch ein neues Zuhause mit Parkblick bekam. Das passt zur regionalen Ausrichtung der Küche von Thomas Kellermann: „Wir arbeiten primär mit Lebensmitteln, die in einem Radius von 80 Kilometern um das Hotel erzeugt werden.“ Käse stammt von der Naturkäserei Tegernsee in Kreuth, in der Saison klopfen fast täglich Pilzsammler mit Pfifferlingen und Steinpilzen an die Küchentüre, zwei Jäger liefern Reh aus umliegenden Wäldern. Und Süßwasserfische, die Meeresfische fast komplett verdrängt haben, kommen größtenteils von der Tegernseefischerei.

Blickfang im Restaurant: die Weinbibliothek © Autor

Zur lokalen Ausrichtung passt der neue Gastraum, ein lichter Wintergarten mit Blick in den Hotelpark und auf alte Kastanien. Man sitzt an weit auseinanderstehenden Tischen in (sehr bequemen!) hellen Bugholzsesseln. Und wenn es im Winter schneit, liegt sogar auf den immergrünen Eiben, die den Gastraum zieren, Schnee – die Glaskuben, in denen sie stehen, sind zum Himmel hin offen.

Echter Schnee auf immergrünen Eiben © Autor

Die offene Küche ist dunkelgrün gefliest – ein optischer Blickfang, der sich auch als Reminiszenz an eine wichtige Station in Kellermanns Biografie verstehen lässt, denn die Stilistik der bunten Kacheln erinnert stark an das alte Tantris, wo er als Souschef von Hans Haas prägende Jahre verbrachte. Hier entwickelt der 50jährige seine Gerichte, die nicht nur von einer langjährigen Laufbahn in besten deutschen Häusern, sondern immer mehr von der Natur des Tegernseer Tals inspiriert sind.

In bestem Einvernehmen: Saibling und Kohlrabi © Autor

Allen voran gilt das für den konfierten Saibling, der selbstverständlich von der Fischerei Tegernsee stammt, serviert wird er mit einem Topping vom eigenen Kaviar. Dazu kombiniert Kellermann Kohlrabi in verschiedenen Spielarten – vom Tatar über den ebenfalls mit Saiblingsrogen gefüllten Trichter bis zum grünen Kohlrabisüppchen mit Sprenkeln von Kohlrabigrün-Öl. Eingelegte Grapefruit-Filets bringen feine Säure und Bitternoten ins Spiel.

Als großen Gewinn für das Restaurant kann man das Engagement von Sommelier Tobias Blaha verbuchen, der die Kreationen der Küche kongenial begleitet. Bestes Beispiel: Der kurzgebratene Langostino mit Sauerkraut in der Ananasrolle, Korianderpesto und Beurre Blanc auf Krustentierbasis. Im Glas dazu ein großer Klassiker, „Geheimrat J“ vom Weingut Wegeler, eine Cuvée aus allen Großen Lagen des Weinguts. Der Jahrgang 2015 geht schon etwas in die Reife, gibt sich cremig, fast schmelzig und ist damit ein sehr stimmiger Partner zum Langostino, gerade auch mit den fruchtigen Komponenten im Gericht.

Topinambur-Variation: Gemüseküche à la Kellermann © Autor

In jedem Dichter-Menü dabei ist ein pflanzenbasiertes Gericht, diesmal versteckt sich in der frittierten Topinamburschale ein Ragout aus weißer Traube und Rauchaal, flankiert von Topinamburpüree und Estragoncreme.

Gebratenen Stör serviert die Küche auf Gerste, dazu harmonieren ein gebundener Verjus-Fond, die Variation von der Bauerngurke und salzige Pflaumencreme. Auch hier überzeugt das Weinpairing: Der „Fórra“ vom Südtiroler Weingut Alois Lageder ist ein Manzoni Bianco, eine lokale Rebsorte, gekreuzt aus Riesling und Weißburgunder. Vom einen hat er das Mineralische, vom anderen die Stoffigkeit.

Verstehen sich gut: Kalbsbries und Meerrettich © Autor

Aussen kross gebraten, innen butterzart: Das Kalbsbries thront auf Rettichgemüse, umspielt von klassischer Kalbsjus. Dazu gibt’s im Meerrettich-Trichter ein Meerrettich-Tapioka und Zitronenröllchen.

Im Hauptgang: Tegernseer Bauernente © Autor

Im Hauptgang eine Bauernente: Die Brust, rosa gebraten, benetzt von klassischer Entenjus. Dazu passt die Variation von Petersilienwurzel als Chip und Püree, begleitet von Senfkorn-Chutney und roten Zwiebelchen.

Überraschender Abschluss: Waldbeeren und Sellerie © Autor

Von der neuen Pâtissière Emma Hirschfeld stammt die Kreation rund um wildgesammelte Heidel- und Preiselbeeren, dazu kombiniert sie salzige Mandelcreme, Staudenselleriesalat und eine Nocke Sellerie-Rahmeis – ein nicht ganz so süßer Abschluss für Liebhaber der Gemüsedessert-Mode. 

2017 Chianti Classico, ein stimmiges Pairing zur Ente © Autor

Die Weinkarte umfasst rund 400 Positionen, der Einfluss von Tobias Blaha ist anhand vieler neu dazugekommener Etiketten deutlich schmeckbar. Der Fokus wurde bei den Neuzugängen verstärkt auf Weine aus Deutschland, Österreich und Südtirol gelegt, die besonders gut zu Kellermanns regional orientiertem Küchenstil passen. Aber auch Liebhaber französischer und italienischer Gewächse kommen auf ihre Kosten im derzeitigen Tegernseer Vorzeigeprojekt. 

www.egerner-hoefe.de

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