Die Mosel ist nicht nur die Heimat großer Weine, sondern ebensolcher Köche: Besuch bei Thomas Schanz, der souverän aus dem Repertoire der klassischen Haute Cuisine schöpft, in Aromen- und Produktfülle aber eine ganz neue Welt eröffnet
Der Moselort Piesport lohnt nicht nur wegen der berühmten Lage Goldtröpfchen, die den Ort wie ein Amphitheater dominiert, einen Besuch. Auch um bei Thomas Schanz zu essen, fahren wir gern quer durch die Republik. Er ist kein Mann der großen Worte, sondern der großen Küche. Wo so mancher seiner Kollegen mittlerweile dem medialen Auftritt mehr Zeit gönnt als der Entwicklung neuer Gerichte, praktiziert er das Gegenteil: Am wohlsten fühlt sich der 40jährige in seiner Küche, wo er selbst die Fisch- und Fleischposten übernimmt – zur Freude seiner Gäste.
Auch sonst geht es Besuchern im lichten, modernen Restaurantneubau, an den das kleine Hotel der Familie Schanz angrenzt, bestens: Der Empfang ist herzlich, das Restaurant stilvoll in Weiß und Anthrazit gehalten, im Sommer lockt die begrünte Terrasse. Sehr gastfreundlich auch, dass es keinen Menüzwang gibt und à la carte-Gerichte geboten werden. Andererseits: Hier möchte man sowieso alles probieren und nimmt dann doch die große Oper.
Schon die Amuse-Bouches offenbaren, was sich als roter Faden durch das komplette Menü zieht: Präzises Handwerk auf höchstem Niveau, exzellente Produktqualität und originelle Ideen in Präsentation und Aromatik.
Natürlich ist Schanz’ berühmtes Trüffelei in der goldenen Schale mit von der Partie, aber auch Überraschendes wie feingehacktes Rinderfilettatar, das sich unter einer Haube von schaumig-weißem Tomatenmousse verbirgt und mit knallgrünem Kerbel-Colatura-Sorbet spannungsreich kontrastiert wird. (Für die Nicht-Lateiner unter uns: Colatura di alici ist eine kampanische Würzsauce aus Sardellen, dem Garum der alten Römer nachempfunden.) Anderswo wäre so etwas ein ausgewachsener Gang, bei Schanz ist es köstliche Vorhut, die erwartungsvoll stimmt.
„Rondell von der Gänseleber“, das klingt erst einmal ganz klassisch und ist es vom Handwerk her auch, wird aber zeitgemäß mit viel Spannung aufgeladen: Die (perfekt gearbeitete) Leber auf einer Basis von gebackenen und zerstossenen Cashewkernen garnieren Sambuca- und Joghurtwürfel sowie cremigstes Gänseleber-Eis, das von winzigen, hausgebackenen Salzstangen garniert wird, in seiner beiläufigen Klasse ein typisches Schanz-Element.
Ein weiterer Hingucker, der am Gaumen alle Versprechungen einhält: Carpaccio vom roh marinierten Kaisergranat versteckt sich unter einer Schicht getrockneter Tintenfischtinte, die wiederum mit grünem Spargel und Wagyu-Röllchen höchst dekorativ belegt ist. Ein Teller, der nicht nur für große Sicherheit in der Aromenkonstellation steht, sondern auch für den unbedingten Willen, nur beste Produkte auf den Tisch zu bringen: Langoustinen von solcher Klasse und solch cremiger Frische bekommt man in Deutschland selten, hier hilft die Nähe zu Luxemburg…
Auch der nächste Gang lebt von Frische und Qualität des Grundprodukts: Bretonische Felsenrotbarbe wird nur kurz gebraten, sie kommt mit sautierten Calamaretti, Tomaten und Staudensellerie auf den Tisch. Der Clou ist hier der Einsatz der in der Küche selten gebrauchten Bergamotte im Sud, ihre duftenden Zitrusnoten prägen das Gericht.
Auch auf dem nächsten Teller wetteifern große Produktqualität und tolle Optik samt Augenzwinkern: Das Frikassee vom Hummer aus Saint-Malo mit Annabelle-Kartoffel und feinfruchtiger Maracuja-Consommé krönt als Hingucker ein transparenter Kartoffelchip, der knusprig am Gaumen zergeht – witzig.
Wenn die Begleitung so gelungen ist, stiehlt sie dem Hauptprodukt glatt die Schau: die hübschen Kohlrabi-Täschchen zum gebrannten Kohlenfisch sind mit Kokoscreme gefüllt, eine überraschende Kombi, die am Gaumen bestens aufgeht, vor allem, weil sie von der kräutrigen Würze eines Thymian-Aufgusses getragen wird.
Perfekt rosa gebraten die Label Rouge Taubenbrust mit fabelhafter Innereien-Praline, sehr graphisch präsentiert als wahres Tellergemälde mit dunklem Jus von Zitronenmyrthe, Topinamburpüree sowie intensivem Sud von schwarzen Aragon-Oliven.
Auch der süße Abschluß bietet ordentlich was fürs Auge: Bildschön die hauchdünne Zuckerkugel in Form eines grünen Apfels, gefüllt mit roh mariniertem Granny Smith sowie dessen Sorbet, stimmig ergänzt durch etwas Estragonschaum. Den Kristallapfel umspielen Estragonsud und Apfelgranité, und selbst der Stiel ist essbar: er schmeckt nach Vanille.
Abgerundet wird die Erfahrung durch den sehr aufmerksamen Service unter Gastgeberin Adrienn Pasztusics und die umfangreiche, bei Mosel, Bordeaux und Bourgogne großartig sortierte Weinkarte.
Achja: Für die Gastfreundschaft der Familie Schanz spricht auch, dass man in ihrem kleinen Hotel am nächsten Morgen bis 12 Uhr frühstücken kann, eine Seltenheit in Deutschland.
2 Michelin-Sterne
18 Gault&Millau-Punkte