Nicht nur die Lage im Kreuzberger Kiez überrascht, auch denkmalgeschützte Architektur, kreative Gastkultur und allabendliche Live-Konzerte machen den Schloss Elmau-Ableger zur eigenständigsten Hauptstadt-Adresse
Der Berliner Oranienplatz liegt nicht nur im Stadtteil Kreuzberg, sondern auch im Zentrum der immer wieder hochkochenden Gentrifizierungsdebatte. Augenfälliges Symbol dafür sind die Sprünge und Risse, die sich wie Spinnennetze über das Glas der großen Fensterflächen im Erdgeschoss ziehen – sie stammen noch von den nach der Eröffnung 2017 immer wieder geschleuderten Pflastersteinen. „Wir haben irgendwann beschlossen, das nicht mehr zu reparieren“, sagt Philipp Vogel. „Das gehört in Kreuzberg eben irgendwie dazu.“
Der Wahlberliner ist nicht nur Küchenchef des Restaurant Orania, er führt, gemeinsam mit seiner Frau Jennifer, auch das gleichnamige Boutiquehotel. Das markante Eckgebäude von 1913 mit der hellen Sandsteinfassade wurde aufwendig und mit viel Liebe zum architektonischen Detail renoviert. Es zählt nicht nur zu den schönsten und geschichtsträchtigsten Häusern der Hauptstadt, sondern auch zu den eigenständigsten.
Genau wie im Mutterhaus, dem oberbayerischen Ausnahmehotel Schloss Elmau, bietet man auch im Orania ein Kultur- und Konzertprogramm von Rang, das nicht nur Hausgästen, sondern allen Berlinern offensteht. Jeden Abend ab 21 gibt es Live-Musik, dann werden die farbigen Stoffbahnen, die sonst den großzügigen Bar- und Lounge-Bereich vom Restaurant trennen, geöffnet. Im Zentrum steht dann der große Steinway-Flügel, das Konzertprogramm mischt Soul, Jazz, Pop und Worldmusic, es wird kuratiert vom namhaften Pianisten Matti Klein. Alle auftretenden Künstler leben in Berlin, so will man die Verbundenheit mit dem Standort dokumentieren.
Auch kulinarisch eroberte Philipp Vogel den Kiez – mit seiner „X-berg-Duck“, die inzwischen Kultstatus hat. Hinter dem szenigen Titel verbirgt sich eine mustergültig im original chinesischen Ofen gebratene Pekingente. Vogel weiß, wie sowas geht, weil er im Laufe seiner Karriere in der gehobenen Gastronomie auch eine Zeitlang in Shanghai kochte. Der riesige Ofen (alleine der Deckel misst 80 cm Durchmesser) steht mitten in der offenen Küche und ist im Dauereinsatz, weil rund die Hälfte der Gäste die wahrscheinlich beste Pekingente der Stadt probieren wollen.
Hinter dem Erfolg steckt harte Arbeit, nicht zuletzt die Suche nach dem perfekten Grundprodukt gestaltete sich schwierig. Zunächst durchforstete Vogel das Umland, aber: „Die Enten aus regionaler Zucht hatten alle zu wenig Fett und trockneten im Ofen aus.“ Schließlich trieb er in Irland die perfekte Stockente auf, in einer Geflügelfarm, die sogar bis nach Peking liefert.
Seither ist seine X-berg-Duck, serviert in vier Gängen, Kult: Den Auftakt bildet köstlich-intensive Enten-Dashi samt gefülltem Dumpling, anschließend wird am Tisch vor den Augen der Gäste mit einem scharfen Messer die ultraknusprige Haut tranchiert. Der Gast wickelt sie mit Gurke, süßlicher Hoisinsauce und mehr oder weniger persönlichem Geschick in frisch gebackene, hauchdünne Crêpes.
Dritter Gang ist die rosa gebratene, saftig-zarte Entenbrust vom Grill mit sauer-scharf mariniertem Pak Choi und Pfeffersauce. Als Schlusspunkt und weiteres geschmackliches Highlight serviert man gebratenen Reis mit gezupftem Keulenfleisch, ein untergerührtes Eigelb sorgt für Geschmeidigkeit.
Wie gesagt, das ist nur das halbe Küchenprogramm. Auch sonst ist die Speisekarte global – und gern auch asiatisch – inspiriert, vom Büffeltatar mit Nachos und Jalapeno über konfierten Kabeljau in Sichuan-Chili mit Spinat und Tofu bis zum Tandoori Chicken, einer kreative Interpretation des Originalgerichts: Die Keule wird gegart und mit Noilly Prat und Zwiebel zur Creme aufgemixt, die als Ring die Basis des Gerichts bildet. Garniert wird sie mit Kräutern, Limettengel und kross gebackenen Hühnerhautchips, dazu kommen gebratene Brust und Sot-l’y-laisse vom Maishuhn. Die intensive Tandoori-Sauce wird am Tisch angegossen.
Gäste aus aller Welt steigen gern im Orania ab, weil man hier nur vor die Türe zu treten braucht, um mitten im bunten Kreuzberger Kiez zu stehen. Sie schätzen die hohen Räume ebensosehr wie den Blick auf die urbane Kulisse, der sich durch die Fenster bietet. In den 41 Zimmern dominieren warmes Licht, verschiedenste Hölzer und gedeckte Farben aller Nuancen von Orange bis Dunkelrot. Die Räume sind individuell geschnitten und mit handgewebten Teppichen sowie Designermöbeln ausgestattet, spektakulär sind die Dachsuiten.