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„Gereifte Weine erzählen eine Geschichte“

Guarino Tugnoli ist seit 37 Jahren Sommelier im Alpenhof Murnau. Seine Weinkarte wurde jetzt mit dem Award of Excellence des amerikanischen Wine Spectator ausgezeichnet –zum 8. Mal in Folge

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Guarino Tugnoli © Alpenhof Murnau

Vor kurzem war hoher Winzeradel im Alpenhof Murnau zu Besuch. Michael Moosbrugger vom Kamptaler Ausnahmeweingut Schloss Gobelsburg kam höchstpersönlich vorbei, um Sommelier Guarino Tugnoli eine ganz besondere Lieferung zu bringen. Und zwar im doppelten Sinn. Für den Alpenhof ist es die 1000. Position auf der eindrucksvollen Weinkarte. Auch für Gobelsburg markiert die Cuvée „Tradition“ einen Meilenstein: 2021 feiert man dort 850. Geburtstag, damit ist das einst von Zisterzienser-Mönchen gegründete Weingut eines der ältesten noch bestehenden der Welt. 

Zum 850. Geburtstag von Schloss Gobelsburg: die Cuvée „Tradition“ © Autor

Der Jubiläumswein ist eine Cuvée aus zahlreichen Gobelsburger Schatzkammer-Weinen der letzten 50 Jahre, der älteste verwendete Wein ist Jahrgang 1970. Weil Alpenhof-Geschäftsführer Christian Bär enge Beziehungen zur Familie Moosbrugger unterhält, konnte sein Sommelier für die Gäste des Hauses ein paar Flaschen dieser sehr limitierten Auflage sichern. 

Tugnoli ist einer der langgedientesten Sommeliers der deutschen Gastronomie-Landschaft: Seit 37 Jahren ist er im Alpenhof Murnau beschäftigt, genauso lange kümmert er sich um die Weine. Als er damals anfing, zählte die Weinkarte 100 Positionen – ein Zehntel des heutigen Umfangs. Tugnoli stammt aus Süditalien, er wuchs in einem Dorf bei Pompeji am Vesuv auf. Mit 17 Jahren ging er nach Paris, um dort im legendären Chez Maxime’s zu arbeiten, wo seine Weinleidenschaft geweckt wurde. Über Stationen in Deutschland, England und der Schweiz kam er 1984 in den Alpenhof. 

Einige Flaschen in seinem Keller sind noch länger im Haus als er. Zum Beispiel der Chateau Latour Jahrgang 1955. „Eine Legende“, sagt Tugnoli, „kaum mehr zu bekommen.“ Oder ein 1976er Pétrus, ebenfalls kaum noch auf dem Markt. „Ein Spitzenjahrgang in Bordeaux, einer der besten.“ Serviert man eine solche Rarität zum Essen? „Nein, das wäre eher ein Meditationswein, den man nach dem Essen trinkt“, sagt der Kenner. „Das ist ein Wein, auf den man sich konzentrieren muss.“

Auch Mouton-Rothschild ist als beeindruckende Vertikale von über zehn Jahrgängen auf Lager. Allerdings eher als Auslaufmodell: „Wir gehen ein bisschen ab von den ganz großen Namen.“ Angesichts der spekulativen Preise, die heute für namhafte Grand Crus aufgerufen werden, ist das eine zeitgemäße Entscheidung, die auch andere Häuser für sich getroffen haben. „Die Weine sind einfach zu teuer“, sagt Tugnoli. „Wir sind hier nicht in Gstaad.“ Er setzt heute lieber auf die zweite Reihe, auf weniger gehypte Gebiete wie Graves und St. Julien oder gleich auf Cru Bourgeois: „Auf gute Bordeaux verzichten muss trotzdem kein Liebhaber.“ Es warten Gewächse von Château Les Rosiers, Château de Pez oder Château La Pointe. „Die kommen von guten Jahrgängen und zu vernünftigen Preisen auf die Karte.“ Auch einen Château Cantemerle aus dem Jahrgang 2005 oder 2006 findet er jetzt gut zu trinken: „Für einen Bordeaux ist das zwar immer noch recht jung, aber die Tannine sind bestens eingebunden.“ 

Der Wein muss nicht in erster Linie zum Gericht passen. Sondern zum Gast.

Für Tugnoli sind das Weine, die einfach schön zu trinken sind, im Sinne seiner Gäste. Denn genau darum geht es ihm: „Wir stimmen die Weinkarte auf unsere Gäste ab.“ Der versierte Gastgeber kennt deren Geschmack genau: „Schon beim Einkauf mache ich mir Gedanken dazu, wer welchen Wein wohl mögen könnte.“ Und er ist der Überzeugung: „Es gibt nicht den einen passenden Wein zu einem Gericht.“ Viel entscheidender, als dass der Wein zum Gericht passt, findet er: „Der Wein muss zum Gast passen. Das ist das Wichtigste!“

Ein großer Toskaner: Luce © Autor

Tugnolis Karte wächst auch deshalb beständig, weil er so gern neue Entdeckungen macht. Aus seiner Heimat Italien gefällt ihm derzeit besonders gut ein Vermentino vom Weingut Lunare aus Ligurien. „Die Weinberge liegen direkt an der Küste, deshalb bringt er eine gewisse Salzigkeit mit. Das passt perfekt zu Salzwasserfischen, zum Beispiel zu einer schönen Dorade oder einem Loup de Mer, der von mediterranen Aromen begleitet wird.“ Große Stücke hält er auch auf den „Luce“ des traditionreichen Weinguts Frescobaldi, von dem ihm noch einige Flaschen des Jahrgangs 2008 bleiben: „Einer der besten Weine der Toskana, ein leidenschaftlicher, wuchtiger Wein, für mich eine Offenbarung.“ 

Perfekte Balance: Syrah S.E. vom Weingut Graf Neipperg © Autor

Eine gute Alternative zum klassischen Bordeaux sind für Tugnoli auch die Weine aus dem Weingut Graf Neipperg. Der Graf, Besitzer mehrerer Châteaux im Bordelais, pflanzte auch in seiner württembergischen Heimat die Bordeaux-Sorten Cabernet Sauvignon und Merlot, außerdem den Syrah aus dem Rhonetal. „Sein Syrah S.E. ist für mich ein Flaggschiff unter den deutschen Rotweinen“, sagt der Sommelier. Weil die Rebe einen markanten, eher bodenständigen Charakter mitbringt, braucht es dazu auch auf dem Teller einen kraftvollen Geschmack. Am liebsten empfiehlt er dieses große württembergische Gewächs zu Wild, etwa zu einem Hirsch mit Preiselbeeren.  

Rieslinge mit Alterungspotenzial von Bassermann-Jordan © Autor

„Gereifte Weine erzählen eine Geschichte“, sagt Tugnoli. Deshalb weist die Karte im Alpenhof Murnau auch imposante Vertikalen im weißen Bereich auf, zum Beispiel vom Pfälzer Weingut Bassermann-Jordan. Die Rieslinge stammen allesamt aus Spitzenlagen wie Hohenmorgen, Pechstein, Kalkofen und Jesuitengarten: „Diese Weine sind zum Reifen angelegt, schon im Weinberg wird streng selektioniert, die Trauben werden nur zu 35-40% gepresst, so dass nur der beste Saft verwendet wird.“ Aktuell empfiehlt Tugnoli den Jahrgang 2013: „Er ist von der Farbe schon etwas dunkler, die Säure ist ganz fein, nicht mehr so präsent. Mit seinem Schmelz passt dieser Wein auch zu unterschiedlichen Gerichten.“ Gern serviert er ihn zu einem Zander mit Sauerkraut oder zum Kalbfleischpaillard mit gebratenen Steinpilzen. „Auch zum Käse passen solche gereiften Weißweine gut, etwa zu einem schönen Rebluchon.“ 

Weinkeller im Alpenhof Murnau @ Alpenhof Murnau

Last not least hat Tugnoli auch für Süssweine eine Schwäche. Stolz ist er etwa auf den Rosenmuskateller „Kaschmir“ der renommierten Südtiroler Winzerin Elena Walch, der eigentlich gar nicht nach Deutschland geliefert wird: „Frau Walch kam nach Murnau und brachte mir höchstpersönlich 12 Flaschen vorbei.“ Und dann wären da auch noch ein 1970er und 1982er Château d’Yquem. „Wenn da mal ein Gast kommt, dann würde ich ihm am liebsten ein ganz klassisches Gänseleberparfait dazu servieren, mit etwas Sauternes-Gelee und warmem Brioche, in der Cocotte serviert. Im Chez Maxime’s war das damals an der Tagesordnung. Eine großartige Kombi!“

www.alpenhof-murnau.com

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